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Wikinomics im Intranet (1)

Veröffentlicht am Januar 24, 2008 by Stephan Schillerwein

Endlich bin ich dazu gekommen das sehenswerte Video mit Don Tapscott über Wikinomics von der Web 2.0 expo in Berlin an zu schauen.
Wikinomics ist die Anwendung des Wiki-Prinzips auf die gesamte Wirtschaft, also v.a. Mass Collaboration und Peer Production in allen Lebensbereichen. Nicht fest definierte Organisationen wie Unternehmen, sondern eben die (beliebigen) Personen, die sich zur Lösung einer Aufgabe, Mitarbeit an einem Produkt etc. berufen fühlen, kommen zusammen und produzieren Dinge, Services, Inhalte usw.
(s.a. Wikinomics bei Wikipedia)

Wie kann dieses Prinzip, das von einigen Organisationen schon mit grossem Erfolg angewendet wird (s. Beispiele im Wikinomics Buch), auf’s Intranet übertragen werden?
Ein paar Gedanken dazu:
Creating Context (instead of Content)
Beispiel für die Anwendung des Wikinomics-Prinzip: nicht selber Video-Inhalte produzieren (wie z.B. ein Fernsehsender), sondern eine Plattform bereitstellen, auf der jeder seine Filme veröffentlichen kann (wie z.B. YouTube).
Dieses Prinzip findet in allen dezentral bewirtschafteten Intranets bereits grundsätzlich Anwendung, z.B.:

  • Es wird eine Plattform (z.B. ein CMS) bereitgestellt, auf der Autoren dann Inhalte einstellen können. Die Überlegenheit gegenüber dem früher häufig anzutreffenden Webmaster-Modell oder einer ausschliesslich zentralen Redaktion ist einleuchtend (obwohl letzteres bei sehr stark kommunikations-orientierten Intranets durchaus noch vorkommt).
  • Über eine gemeinsame Informationsarchitektur wird Kontext (und mit ihm Orientierung) geschaffen.
  • Eventuell vorhandene Möglichkeiten zum Tagging, Kommentieren, Rating etc. schaffen Kontext über den eigentlichen Content hinaus, in dem sie Zusammenhänge mit anderen Personen und deren Meinungen und Vorstellungen mit einbeziehen.

Es gibt also bereits Kontext, trotzdem ist gerade das Content Management ein Hauptproblem für viele Intranets: von zu wenig (oder den „falschen“) Autoren über veralteten und trivialen Content bis zur mangelnden Vertrauenswürdigkeit der Inhalte (z.B. aufgrund mehrerer Versionen der gleichen Information) reichen die Schwierigkeiten, die manchmal auch mit grossen Anstrengungen nur unbefriedigend gelöst werden können.
Neben kulturellen Faktoren, die häufig hinter diesen Problemen stehen, gibt es z.B. folgende Ursachen und Anknüpfungspunkte (aus Wikinomics-Perspektive):

  • Autoren: „Everyone is a Publisher“ – das habe ich als Intranet Manager im Jahr 2001 meinem damaligen Arbeitgeber vorgeschlagen um den Kreis der Autoren von ca. zwei Dutzend auf potentiell mehrere Tausend zu erweitern und so Content von jeder „Front“ des Unternehmens schnell, unaufwändig und ohne Umwege für das gesamte Unternehmen zur Verfügung zu stellen. Denn das Problem mit den Intranet Autoren ist wohl das, dass es überhaupt Intranet Autoren gibt! (zentrale Intranet Redaktionen bspw. für die interne Kommunikation u.ä. ausgenommen). Nur wenn jeder direkt und ohne „Anfangsinvestition“ (z.B. Schulungsbesuch) Content bereitstellen kann, ist ein Abdecken aller relevanten Informationen, Tätigkeitsbereiche, Aktivitäten und aktuellen Geschehnissen in einer Organisation überhaupt möglich. Selbstverständlich muss das dann auch tatsächlich getan werden (Arbeitskultur) und Mechanismen zur sinnvollen Lenkung und Filterung dieser Informationen existieren.
    Dieser Vorgang ist für uns „Büromenschen“ seit der flächendeckenden Verbreitung von Email im Prinzip schon selbst verständlich. Allerdings unter dem entscheidenden Vorbehalt der adressierten und damit (scheinbar) kontrollierten Kommunikation. Zur für jeden sichtbaren Publikation von Informationen gibt es somit (vor allem mental) einen tiefen Graben.
    Blogs und Wikis, aber auch Tagging und jede andere Form des Einbezugs der Benutzer sind Schritte um diesen Graben langsam aber sicher zu zuschütten.
  • Content und Personen: Intranet-Inhalte haben heute meist einen geringen Bezug zu Personen. Auch wenn die Nennung und Verlinkung des Autors zu jedem Content in den meisten Intranets inzwischen Standard ist, stehen Dinge wie Themenbereiche, Produkte, Prozesse oder Abteilungen meist im Vordergrund. Auch die zum Autor abrufbaren Informationen beschränken sich meist (neben den Kontaktdaten) auf diese rein inhaltsbezogenen Aspekte. Wer der Autor ist, woran er gerade arbeitet, was seine (beruflichen) Interessen sind, bleibt meist im Dunkeln. Der Leser kann dadurch keine Beziehung zum Autor (dessen Gedankenwelt, Motivationen, etc.) aufbauen, entsprechend bleibt auch der Content „anonym“. Dieser Um- oder besser Missstand ist wohl ein Relikt aus der Printwelt (wo der Leser i.d.R. auch keine Beziehung zum Redakteur hat – Starjournalisten, Kolumnenschreiber etc. natürlich ausgenommen), steht aber im deutlichen Gegensatz zur sonstigen Erlebniswelt, in der Informationen viel stärker mit Personen verknüpft sind. Das „Wer?“ ist nicht nur bei Reden von Politikern oder Hollywood-Stars in Filmen ein entscheidender Faktor, sondern sogar bei trivialen Dingen wie dem Absender einer Email. Die Person ist oft mindestens so wichtig, wie der Inhalt. Das wird bei Intranets noch häufig ausser Acht gelassen,
    Geeignetes Instrument um hier Abhilfe zu schaffen ist das „Telefonbuch“ (Employee Directory), das sinnvoll erweitert und ergänzt werden sollte, um den Mitarbeitern echten Kontext zu geben, der sich dann wiederum auf den Kontext des Contents vererben kann. Ein gutes Beispiel sind hier sicher die „Blue Pages“ von IBM (vgl. “mITeinander im Web 2.0“ von Peter Schütt (PDF, >1 MB, Folien 15 + 16) aber natürlich auch die öffentlichen „Pendants“ wie Xing, Facebook und Konsorten.

Auch bspw. benutzergenerierte Tags als Ergänzung bestehender Metadaten und Informationsarchitekturen oder Mash-up Plattformen (auf denen sich die Mitarbeiter selber Anwendungen und Informations-Verknüpfungen erstellen können) sind weitere Möglichkeiten zur Schaffung von Kontext, die das eigenverantwortliche und selbstmotivierte Erzeugen und Bereitstellen von Content fördern und verbessern.
Im zweiten Teil möchte ich den Aspekt „Peering“ und Selbstorganisation unter die Lupe nehmen (oder doch lieber den Aspekt „act global“?).
p.s.: Der „Everyone is a Publisher“-Vorschlag ist damals nicht auf grosses Verständnis gestossen und die Probleme im Content Management blieben (trotz grosser Anstrenungen) bestehen … 😉 Heute wäre die Argumentation sicher (etwas) leichter.

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